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Das Falschspiel beginnt

Klartext-Kolumne des Chefredaktors – in jeder Printausgabe der Schweizerzeit.

Als EU-Turbo der ersten Stunde von den Medien längst zur Star-Juristin emporgejubelt, verkündet die Europarechtlerin Astrid Epiney via NZZ am Sonntag (11. Februar 2024), die zur vom Bundesrat auf Diktat Brüssels vorgesehene Unterwerfung der Schweiz unter die Oberhoheit von EU-Kommission und EU-Gerichtshof bedürfe keiner obligatorischen Volksabstimmung. Das Stimmvolk soll also nur nach einer Unterschriftensammlung etwas zu sagen haben, wenn seine Souveränität beerdigt wird. Und das Ständemehr wird gleich vollständig annulliert. Die Bundesverfassung, begründet Frau Professorin Epiney ihren Anschlag auf die Demokratie, lasse ein obligatorisches Referendum nur zu, wenn «der Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit» wie Uno oder Nato oder «zu supranationalen Gemeinschaften» wie der EU beantragt werde. Der «Paketvertrag» sei Weder-Noch.

Eine schludrige professorale Behauptung. Wer ihr glaubt, würde damit unterstellen, Bundesrat und Parlament hätten die Bundesverfassung gebrochen, als sie 1972 den Freihandelsvertrag mit der EWG und 1992 den EWR-Vertrag per obligatorischem Referendum Volk und Ständen zum Entscheid vorlegten.

Im geplanten Paketvertrag, dessen Inhalt im sog. «Common Understanding» schon weitgehend feststeht, erklärt sich Bundesbern Brüssel gegenüber zur wesentlichen Einschränkung der hierzulande von der Verfassung garantieren Direkten Demokratie bereit: Selbst Volksentscheide würden künftig nur noch umgesetzt, wenn Brüssel dazu sein Einverständnis gibt. Schwerwiegende Entrechtung des Volkes, schwerwiegende Entrechtung der Kantone würden damit Tatsache. Und das könne Bundesbern, nachdem Freihandelsvertrag und EWR seinerzeit Volk und Ständen zum Entscheid vorgelegt worden sind, durchsetzen, ohne dass die Kantone noch etwas dazu sagen könnten. Unglaublich, wie verfassungsblind EU-Turbos sich da aufführen.

Dass die Europarechtlerin solches Ansinnen der Schweiz zumutet, verwundert angesichts ihrer früheren Positionsbezüge zur EU nicht. Dass sämtliche Schweizer Medien und sämtliche Politgrössen von der Mitte bis Linksaussen Epineys Behauptung bejahend schlucken oder gar begeistert bejubeln, zeigt mindestens, auf wieviel Falschspiel im Zusammenhang mit diesem Ausverkaufsvertrag wir uns gefasst machen müssen.

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